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Kafala-Verfahren nach Art. 33 KSÜ i.V.m. §§ 45-47 IntFamRVG – Kafala judiciaire
Das Königreich Marokko und die Bundesrepublik Deutschland sind Unterzeichnerstaaten des Haager Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (KSÜ).
Art. 33 KSÜ regelt die Betreuung eines Kindes durch Kafala und Unterbringung in einem anderen Vertragsstaat. Die grenzüberschreitende Unterbringung ist für den deutschen Rechtsbereich in den §§ 45-47 IntFamRVG (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz) geregelt. Für die Erteilung eines Visums gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist es erforderlich, dass das Verfahren nach Art. 33 KSÜ i.V.m. §§ 45-47 IntFamRVG in der korrekten Reihenfolge durchlaufen wurde. Das marokkanische Justizministerium ist gem. Runderlass Nr. 47 S. 2 vom 17.10.2016 als zentrale Behörde mit der Umsetzung des Übereinkommens beauftragt. Regelungen zu den Voraussetzungen für die Kafala trifft das Gesetz 15-01 vom 13.06.2002.
Im Königreich Marokko werden zwei Formen der Kafala unterschieden – die sog. Kafala judiciaire und die sog. Kafala adoulaire. Während die Kafala judiciaire im Gesetz Nr. 15-01 vom 13.06.2002 geregelt ist, wird die Kafala adoulaire ohne gesetzliche Grundlage praktiziert. Ausschließlich die marokkanische Kafala judiciaire unterfällt dem Konsultations- und Zustimmungserfordernis des Art. 33 KSÜ. Ein Visum zur Einreise nach Deutschland kann daher nur bei Vorliegen einer durch die marokkanischen Behörden wirksam ausgesprochenen Kafala judiciaire beantragt werden. Das Pflegeverhältnis der Kafala judiciaire unterliegt bei Verbringen des minderjährigen Kindes in das Ausland der Überprüfung und Betreuung durch die marokkanischen Auslandsvertretungen.
Im Rahmen der Bestellung der Kafala judiciaire bedeutet dies, dass das marokkanische Gericht vor einer abschließenden Entscheidung über den Antrag auf Bestellung der Kafala judiciaire und Unterbringung im Ausland zunächst das zuständige Landesjugendamt in Deutschland beteiligen und ihm einen Bericht über das Kind und die Gründe zur Unterbringung übermitteln muss, Art. 33 Abs. 1 KSÜ. Daher müssen die, mit den Angelegenheiten von Minderjährigen betrauten Richter und Beurkundungsrichter im Rahmen des Kafala-Verfahrens dem marokkanischen Justizministerium als zentrale Behörde einen Bericht über das Kind sowie die Beweggründe der Betreuung übermitteln.
Anschließend nimmt das marokkanische Justizministerium mit dem örtlich zuständigen Landesjugendamt in Deutschland Kontakt auf. Das Landesjugendamt muss diesem Vorschlag – nach Genehmigung durch das örtlich zuständige Familiengericht – zustimmen, §§ 45-47 IntFamRVG. Erst nach Eingang der Zustimmung durch das Landesjugendamt kann das marokkanische Gericht über die Kafala und Unterbringung im Ausland entscheiden.
Alle Angaben in diesem Informationsblatt beruhen auf Erkenntnissen und Einschätzungen der Botschaft zum Zeitpunkt der Textabfassung. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit, insbesondere wegen zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen, kann keine Gewähr übernommen werden.